Nomaden
»Die ganzen Möbel hier gehören mir gar nicht. Nicht einmal das Bett im anderen Zimmer. Nur der Kram, der hier auf dem Tisch liegt« hat sie zu mir gesagt, und leicht verlegen schmunzelnd auf einen kleinen Haufen Utensilien gedeutet, die auf dem Tisch zusammen mit einigen Teekannen verteilt waren. Ich glaube, es hat ihr wirklich ein bisschen gefallen. Es hat etwas, keine großen Dinge mitnehmen zu müssen, nur zwei Rucksäcke voll zu machen, wenn sie bald die Wohnung verlassen wird, und es sich noch nicht einmal lohnt, einen Umzugswagen zu mieten. »Wie cool!« habe ich gesagt, »Eine Nomadin bist du geworden«. Sie hat vergnügt den Kopf zur Seite gelegt. »Naja, ich war halt auch nicht so lang hier, du weißt schon«. Heute sehe ich vor allem ihre Ernsthaftigkeit darin, ich glaube auch da schon, und auch da schon mochte ich, dass sie trotz allem diese Leichtigkeit dabei behalten hat. Das ist, warum ich gesagt habe, dass sie eine Nomadin sei. Ohne das Bewusstsein, etwas hinter ihr zu lassen, um das letzte Lager zu trauern, und genau deswegen zu gehen, könnte sie es nie wirklich sein.
Es ist der erste Sonnentag in diesem Jahr. Es riecht nach Aufbruch, ich habe Lust aufzustehen, meinen Rucksack zu packen und mit ihr loszulaufen, einfach den Gedanken nach, egal wohin, und am Ende des Tages irgendwo unser Zelt aufzuschlagen. Wenn wir auf uns vertrauen, werden wir, wie das immer so ist, einen guten Platz zum Lagern finden.
–
Wir haben die Zelte wieder abgebrochen. Sie hat sie abgebrochen, ich – habe geholfen. Das heißt, ich habe sie zu früh aufgebaut. Auf zu unsicherem Grund. Wer Zelte nicht mit Bedacht aufstellt, sich nicht die richtige Zeit nimmt, um einen passenden Platz für sie zu finden, der sei damit gut beraten, sie schnell wieder abzubauen. Sich von dem Wind in Sicherheit zu bringen, den er selber herausgefordert hat, um zu sehen, ob die Zelte gut stehen. Nein, so ging das noch nie, es war schon immer so, dass ich wusste, ob die Zelte stehen bleiben werden. Tag für Tag neu. Ich musste es gar nicht erst testen, habe noch nicht mal daran gedacht, es zu testen. Denn es hat sich richtig angefühlt, und dann ist es nie schief gegangen. Und doch ist sie auf mich zugekommen, hat mich angeguckt, den Kopf zur Seite gelegt. Dieses Mal war auch Bedauern in ihrer Stimme. Ich habe mich noch gefragt, wie eisblaue Augen so warm leuchten können, und währenddessen hat sie schon angefangen, das Lager aus seinen Verankerungen zu ziehen. Sie hat es bedacht gemacht, und gründlich. Viel ist nicht davon geblieben, eine richtige Nomadin ist sie.
Ja, ich habe die Zelte auf unsicherem Grund gebaut. Ich habe gedacht, ich sei mir sicher, dass sie bereit ist, aufzubrechen. Aber letztendlich ist sie doch nicht die Nomadin, die ich in ihr gesehen habe. Irgendein Teil von ihr ist geblieben, und sie war nie ganz unterwegs. Ich dahingegen habe mir gedacht, es sollte nicht wichtig sein zu wissen, worauf genau ich mich einlasse. Denn ich wollte einfach den Weg gehen.
Ich weiß nicht mehr, wo sie ihre Zelte aufgeschlagen hat. Als sie ging, bin ich ihrer Spur nicht gefolgt. Ich habe ihr lang nachdenklich hinterher geschaut, aber in Fußstapfen zu treten, das ist noch nie mein Ding gewesen. Und so habe ich mich umgewendet.
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